Nach der sehr starken Beteiligung in den beiden „Coronasommern“ 2020 und 2021 bewegt sich die Zahl der Beobachter*innen bei der Aktion „Stunde der Gartenvögel“ auch in Bielefeld wieder auf dem Niveau vor Corona (Abb. 1): 2023 zählten 295 Bielefelder*innen in 216 Gärten zusammen 5.931 Vögel von 85 Arten. Die Anzahl der beobachteten Vögel pro Zählpunkt veränderte sich kaum.
Abb. 1a, b: Anzahlen der Teilnehmer, Zählpunkte und beobachteten Arten sowie der mittleren Vogelzahl pro Zählpunkt 2006 bis 2023.
Auch 2023 bewegte sich die beobachtete Individuenzahl pro Garten bei den meisten Arten im langjährigen Schwankungsbereich, der im 15. NABU-Jahresheft ausführlich beschrieben wird (auf Basis der Beobachtungen 2006 bis 2021). Im Folgenden sei lediglich auf einige Abweichungen hingewiesen.
Das „Ranking“ der häufigsten (beobachtete Individuenzahl, Abb. 2a) und weitverbreitetsten (Zahl der Fundorte, Abb. 2b) Vogelarten hat sich seit 2021 nur wenig verschoben, meist wechselten nur direkte Nachbarn ihre Plätze auf den Ranglisten. Bei der Verbreitung legten Dohle, Stieglitz und Kernbeißer jeweils 2 Plätze zu, wogegen Schwanzmeise und Rebhuhn um 3 bzw. 4 Plätze zurückfielen. Bei der Häufigkeit legten Stieglitz und Rauchschwalbe um jeweils 3 Plätze zu, während Hausrotschwanz und Bachstelze jeweils 3 Plätze verloren.
Abb. 2a, b: Die häufigsten und weitverbreitetsten Gartenvögel in Bielefeld 2006-2023.
Auffällige kurzfristige Abnahmen verzeichneten Mauersegler und Mehlschwalbe (Abb. 3). Beide Arten wurden auch bundesweit weniger als im letzten Jahr gemeldet, wofür das regnerische und windige Wetter der Zählperiode verantwortlich sein könnte, weil diese Jäger von Luftinsekten bei schlechtem Wetter weniger fliegen. Die Kurven der letzten Jahre zeigen denn auch viele Zickzacks, wobei der langfristige Abwärtstrend beim Mauersegler unverkennbar ist. Überraschenderweise zeigte jedoch die Rauchschwalbe in Bielefeld eine entgegengesetzte Entwicklung, obwohl auch sie Fluginsekten jagt (Abb. 3). Ein weiterer Aufsteiger der letzten beiden Jahre in Bielefeld ist die Saatkrähe (Abb. 3).
Zusammen mit der Dohle (und auf sehr niedrigem Niveau dem Kolkraben) bildet die Saatkrähe allerdings eine Ausnahme bei den Rabenvögeln: alle anderen Arten dieser Familie im Siedlungsbereich (Elster, Eichelhäher, Rabenkrähe), werden langfristig eher weniger beobachtet (Abb. 4).
Abb. 3, 4: Häufigkeitsänderungen 2023 und Entwicklung der Beobachtungen von Rabenvögeln.
In seinem Endergebnis der Gartenvogel-Zählaktion 2023 weist der Bundes-NABU auf den zunehmenden Bestand der Ringel- und Türkentaube hin (Abb. 5a). Diesen Trend legen auch die Beobachtungszahlen aus Bielefeld für die Ringeltaube nahe, für die Türkentaube aber weit geringer ausgeprägt (Excel-Funktion „Trendlinie“, Abb. 5b). Die Bielefelder Straßentauben zeigen einen schwankenden (bzw. sehr leicht abnehmenden) Beobachtungstrend, bei Ausblendung der unsicheren Anfangsjahre (geringere Stichprobengröße) aber ebenfalls eher einen Anstieg seit ca. 2010. Die Hohltaube wurde in Bielefeld nur sehr vereinzelt gemeldet.
Abb. 5a-c: Bundesweiter und Bielefelder Beobachtungstrend bei Taubenarten und den Bielefelder Sperlingen.
Uneinheitlich sind die Trends bei den beiden Sperlingsarten in Bielefeld (Abb. 5c): Während der langjährige Abstieg des Haussperlings (immerhin die Nummer 3 in Bielefeld) gestoppt scheint, geht es mit dem Feldsperling (Nr. 14) weiter bergab. Erfahrene Vogelbeobachter staunen ohnehin über die immer noch relativ häufigen Meldungen des Feldsperlings und hegen den Verdacht, dass evtl. auch Weibchen oder Jungvögel des Haussperlings irrtümlich als Feldsperlinge gemeldet werden, denn im Feld ist der Feldsperling inzwischen eine echte Rarität geworden! Bundesweit wurden für beide Arten leichte Verluste ermittelt. Einen Artvergleich bieten die nachfolgenden Fotos von Andreas Schäfferling.
Abb. 6a-d: Bestimmungsübung für die beiden Sperlingsarten: Feldsperling (mit schwarzem Wangenfleck, beide Geschlechter gleich gefärbt); Feldsperling (links) und Haussperling-Weibchen (rechts); Haussperlingspaar; Feldsperling (links) und Haussperling-Männchen (rechts) an der Winterfütterung (Fotos: Andreas Schäfferling).
Seit der Zusammenstellung im letzten NABU-Jahresheft (Daten bis 2021, siehe unten) haben sich die Trendeinschätzungen bei einigen Arten geändert. Die aktuellen Entwicklungen zeigen die nächsten Grafiken. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Jahresdaten bis 2010 aufgrund der geringeren Teilnahmezahlen (jeweils unter 50 Gärten bzw. Zählpunkte) etwas unsicherer sind als nachfolgenden (54 bis 555 Zählpunkte).
Langfristig ansteigende Trends finden sich bei Ringeltaube, Star, Rotkehlchen, Stieglitz, Buntspecht, Grünspecht, Saatkrähe und Türkentaube (Abb. 7a). Eine Zunahme zeigt in den letzten 10 Jahren auch die Rauchschwalbe (Abb. 7c).
Ungerichtet schwankende Trends zeigen Rabenkrähe, Kolkrabe, Dohle, Straßentaube, (Rauch- und) Mehlschwalbe, Heckenbraunelle, Mäusebussard, Garten- und Mönchsgrasmücke, Kleiber, Zilpzalp, Gartenbaumläufer, Graureiher, Bluthänfling und Girlitz (Abb. 7b-d). Auffällig ist dabei die Datenreihe der Mehlschwalbe (Abb. 7b), weil sie im Widerspruch zu den Ergebnissen des NABU-Projekts „Bielefelder Schwalbensommer“ steht. Dort ergaben die Nestzählungen eine Zunahme der Brutpaare in Bielefeld um über 50% zwischen den beiden Zählungen 2011/13 und 2022 (vorläufiges Zwischenergebnis). Möglicherweise spielen die Wetterbedingungen während der „Stunde der Gartenvögel“ eine ausschlaggebende Rolle für diese unterschiedlichen Einschätzungen.
Abb 7a-d: Ansteigende und ungerichtet schwankende Trends bei Bielefelder Gartenvögeln.
Seit etwa 2015/2016 fallende Trends weisen folgende Arten auf (Abb. 8a, b): Amsel, Elster, Feldsperling, Gimpel, Goldammer, Hauben-, Kohl-, Sumpf- und Tannenmeise, Kernbeißer, Mauersegler und Zaunkönig. In dieser Gruppe sind sowohl Insekten- als auch Körner- und Allesfresser vertreten.
Abb. 8a, b: Seit mind. 5 Jahren fallende Trends bei Bielefelder Gartenvögeln.
Seit mindestens 10 Jahren fallende Trends werden beobachtet bei Blaumeise, Buchfink, Grünfink, Haussperling, Kohlmeise, Eichelhäher, Sing- und Wacholderdrossel, Hausrotschwanz, Stockente, Bachstelze, Schwanzmeise und Fasan (Abb. 9a-c).
Abb. 9a-c: Seit mind. 10 Jahren fallende Trends bei Bielefelder Gartenvögeln.
Nach wie vor überwiegen also die fallenden Beobachtungstrends in Bielefeld (wie auch bundesweit) bei weitem:
Trend |
steigend |
ungerichtet schwankend |
fallend seit mind. 5 Jahren |
fallend seit mind. 10 Jahren |
Artenzahl |
8 |
16 |
12 |
13 |
Bei der öffentlichen Zählung im Rahmen des NABU-Veranstaltungsprogramms im Vereinsgarten Wiesenstr. 21 konnten die 12 Teilnehmer*innen am Nachmittag ab 15 Uhr folgende 23 Vogelarten beobachten oder hören:
Amsel (2), Blaumeise, Kohlmeise (2), Mönchsgrasmücke (2), Zilpzalp, Kleiber (2), Fasan, Ringeltaube (10), Saatkrähe (22), Haussperling, Gartengrasmücke, Kuckuck, Mäusebussard (2), Wanderfalke, Zaunkönig, Heckenbraunelle, Elster, Rotkehlchen, Stieglitz, Rotmilan, Mehlschwalbe, Star, Klappergrasmücke.
Das aktuelle Jahresheft 15 (2022) des NABU Bielefeld enthält eine Auswertung der Bielefelder Meldungen der beiden Aktionen „Stunde der Gartenvögel“ und „Stunde der Wintervögel“. Der Artikel kann hier separat heruntergeladen werden:
Aus den über die Jahre gemeldeten Beobachtungen lassen sich zusammengefasst folgende
Trendeinschätzungen für Gartenvögel ableiten:
Lang-, mittel- oder kurzfristige Gewinner in Bielefeld sind: Ringeltaube, Rotkehlchen, Bunt- und Grünspecht sowie Kolkrabe (Reihenfolge nach Beobachtungshäufigkeit).
Verlierer in Bielefeld sind hingegen: Amsel, Elster, Grünfink, Mauersegler, Zaunkönig, Hausrotschwanz, Mehlschwalbe, Singdrossel, Graureiher, Tannenmeise, Goldammer, Fasan, Girlitz, Bluthänfling und Wacholderdrossel. Da Kolkrabe, Graureiher und Fasan keine typischen Siedlungsarten sind, ist bei ihnen die Aussagekraft weniger gut.
Weitgehend stabile Bestände zeigen Türkentaube, Dohle, Kleiber, Straßentaube, Gartenbaumläufer, Rauchschwalbe, Gartengrasmücke und Heckenbraunelle. Somit sind die „Verlierer“ eindeutig in der Überzahl!
Bei allen anderen beobachteten Arten weichen die Trends in Bielefeld von einschlägigen Vergleichsdaten bundesweiter Monitoringprojekte ab, oder ihre bisherigen Beobachtungszahlen (Stand 2020) bei der „Stunde der Gartenvögel“ lassen keine Trendaussagen für Bielefeld zu.