Die wilde Mufflonherde in Bielefeld ist gefährdet. Nach einer gerichtlichen Entscheidung vom 08.11.2019 droht der gesamten Herde der Abschuss.
Der NABU Bielefeld versteht die Situation der Mufflons im Teutoburger Wald weniger als Thema des Naturschutzes, sondern vielmehr als Problem des Interessenausgleichs zwischen Tierschutz, Jagd und Forstwirtschaft. Die Tiere dienten von Anfang an als Bereicherung der Jagdpalette des Jagdpächters, und wurden auch extra zu diesem Zweck ausgewildert.
Aus Sicht des Naturschutzes kann die kleine Mufflongruppe bestehen bleiben, zumal sie offenbar effektiv jagdlich kontrolliert wird, gesund ist und nicht die reale Gefahr eine ungezügelten Vermehrung besteht. Die Art ist zwar nicht als einheimisch, sondern als "Neubürger" (Neozoon) einzustufen, erfüllt jedoch ähnliche ökologische Funktionen wie andere Paarhufer der heimischen Fauna. Der NABU vermutet, dass die aktuellen Baumschäden durch Klimastress und möglicherweise auch fragliche waldbauliche Prioritäten viel gewichtiger sind als die Schäden durch Mufflons. Hier sollten die eigentlich wichtigen waldbaulichen Aufgaben nicht an den Rand gedrängt werden.
Der Streit zwischen Gegnern und Befürwortern hoher Paarhuferdichten im Wald besteht seit Jahrzehnten und wird duch jagdliche Vorgaben geregelt. Der Wildverbiss durch Mufflons scheint nicht grundsätzlich andere Quantitäten und Qualitäten zu verursachen als der Verbiss durch andere Paarhufer. In der Fachliteratur (Smit & van Wijngarden, Threatened Mammals in Europe) wird sogar ausgeführt, dass Mufflons Gräser und Kräuter fressen und dem Wald nicht schaden (im Gegensatz zu Ziegen und Hausschafen). Das hängt sicherlich auch von Struktur und Nahrungsangebot des Waldes ab. Ohne Kenntnis der gerichtlichen Fachgutachten kann und will der NABU-Bielefeld diesen Aspekt daher nicht bewerten.
Die Mufflonbestände sind in ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet im Mittelmeerraum nicht gesichert. In Nordrhein-Westfalen leben 26 über das Land verteilte Bestände (Petrak im Online-Atlas der Säugetiere Nordrhein-Westfalens). Möglicherweise kommt diesen Beständen daher eine Rolle bei der Erhaltung der Art insgesamt zu, abhängig von ihrer genetischen Qualität. Insofern sollte aus Gründen des Artenschutzes der Genpool der Population nicht ohne Prüfung vernichtet werden. Die Bielefelder Mufflons stammen aus Sardinien und Korsika und sind wahrscheinlich Nachfahren früh domestizierter Hausschafe. Damit diese viel zu kleine Herde genetisch stabil bleibt, wurden über die letzten 50 Jahre hinweg immer neue Böcke zur Auffrischung des Genpools zugekauft und ausgesetzt.
Der NABU Bielefeld würde einen Totalabschuss bedauern, zumal die finanziellen Vorteile, die sich daraus für die einzelnen Mitglieder der Familie Klasing ergeben, doch wohl eher gering sind.
Über Einflüsse der Mufflons auf die biologische Vielfalt im mitteleuropäischen Wald (zB auf die Vielfalt der Arten und Lebensräume) ist dem NABU Bielefeld wenig bekannt. In dem Waldstück, in dem die Bielefelder Mufflons leben ist es aber erstaunlich, wie gut hier Naturverjüngung von Laubholz funktioniert, mit Buche, Bergahorn und auch Esche. Eschentriebsterben ist hier noch wenig anzutreffen. Vor nicht umkehrbaren Entscheidungen sollten Fachgutachter hierzu eine Expertise ausarbeiten, um nicht nur wirtschaftliche Argumente in die Abwägung einfließen zu lassen. Im Körperschaftswald sollte die Biologische Vielfalt und die Erholungsfunktion (hier zB Wildbeobachtung) höher gewichtet werden als Ertragserwartungen.